Bin ich schwanger?

Zu welchem Preis kann ich einem Grossverteiler meine Daten verkaufen? Was macht dieser daraus? Und ist es mir das wert?



Ich habe zwei Karten von Grossverteilern, mit denen ich super Punkte kumulieren kann. Ich bin mir bewusst, dass man für solche Karten mit seinen Daten bezahlt und die Marketingabteilungen der Grossverteiler viel über mich wissen. Vielleicht sogar auch das eine oder andere, was ich selbst noch nicht weiss. Die Grossverteiler sollen ja offenbar aufgrund der Analyse des Kaufverhaltens wissen, wenn Kundinnen schwanger werden, noch bevor die Frauen es selbst bemerkt haben. Aber die Bedingungen sind vertraglich festgelegt: Für meine Daten erhalte ich in Form von Punkten 1% Rabatt, bei Aktionen auch mal etwas mehr.
Kürzlich erhielt ich von einem der Grossverteiler Post: Es wurde mir mehrseitig Hundefutter als Aktion angeboten. Dabei habe ich keinen Hund. Bis vor einem Jahr hatten wir einen Hund und kauften auch Hundefutter. Aber dann hat sich das auf natürliche Weise erledigt: Kein Hund mehr, kein Futter mehr. Zuerst hatte ich Angst, die Marketingabteilung wisse etwas, was ich nicht wusste, nämlich dass sich ein neuer Hund irgendwo in der Wohnung versteckt hatte. Aber die Suche bestätigte, dass es keinen gab. Der Algorithmus, der die Einkäufe analysiert, hatte also offenbar einen falschen Schluss aus der Datenanalyse gezogen, nämlich dass wir das Hundefutter anderswo kaufen, und er wollte einen ehemaligen Hundefutterkunden zurückgewinnen. Das Porto hätte sich der Grossverteiler sparen oder noch besser mir als Punkte gutschreiben können.
Ich habe mir dann überlegt, was er sonst noch über mich weiss:
  • Ich kaufe frisches Obst und Gemüse fast ausschliesslich auf dem Markt, Schokolade, Kekse und Bier jedoch oft bei einem Grossverteiler. Die Grossverteiler müssten daher davon ausgehen, dass ich mich sehr ungesund ernähre. Eigentlich sollten sie mich warnen oder mir zumindest vermehrt personalisierte Werbung für Obst und Gemüse zukommen lassen!
  • Am Valentinstag kaufe ich zwei Sträusse, dann denkt der Algorithmus, ich sei ein Frauenheld und hätte eine Geliebte. Na gut, mir fällt beim Schreiben gerade auf, dass das nichts Besonderes wäre. Ich werde nächstes Mal drei Sträusse kaufen.
  • Kein frisches Gemüse, aber Essiggurken. Von denen kaufe ich alle paar Monate immer gleich ein paar Gläser und stelle sie zu den Vorräten. Und wer isst besonders viel Essiggurken, wenn man der allgemeinen Meinung trauen kann? Eben! Alle paar Monate diagnostiziert die künstliche Intelligenz also eine Schwangerschaft. Ich hoffe, die KI ist wenigstens so intelligent, das nicht bei mir zu tun, sondern bei einer meiner Geliebten…
Der Umgang mit den eigenen Daten müsste im Lehrplan von Mittelschulen einen angemessenen Stellenwert haben. Warnungen vor einem sorglosen Umgang mit Facebook und Co. können nicht schaden, decken aber nur einen minimalen Teil des Problems ab. Interessante Fragestellungen sind beispielsweise: Ein Prozent Rabatt auf die Einkaufssumme für meine Daten – will ich dieses Geschäft machen? Wenn nein, wie viel müsste ich erhalten? Ein gutes Thema für die Wirtschaft. Und welche Möglichkeiten habe ich bei Online-Shops und Suchmaschinen? Das wäre wohl nur noch fächerübergreifend zu bewältigen.

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